Seit zirka 40 Jahren lädt diese repräsentative Treppe die Bürger ein, u.a. zu den demokratischen Institutionen wie dem Amtszimmer des Ersten Bürgermeisters oder dem großen Sitzungssaal. Unsere Meinung: Ein Bürgerbüro kann auch ermöglicht werden, ohne diese teure Bausubstanz unwiederbringlich – und mit viel Geld – zu zerstören. Foto:FW

Die Bürgerschaft der Stadt Altötting hat ein Recht darauf, die Position der Fraktion der Freien Wähler zu kennen. Wir sind keine „Schwarzmaler“. Wir denken, dass wir die Dinge sehr wohl realistisch einschätzen. Sich eine schöne, heile Welt zu malen, ist in diesen Zeiten die falsche, eine trügerische Therapie, die langfristig niemand nützen wird. Hier die Rede zum Haushalt 2022:

„Sehr geehrter Erster Bürgermeister Stephan Antwerpen, liebe Kolleginnen und Kollegen,

der russische Einmarsch in die Ukraine ist eine dramatische Zäsur. Die Auswirkungen sind in ihrer Gesamtheit noch gar nicht zu überblicken, aber sie werden fundamental sein.“ So Dr. Manfred Gößl, der Hauptgeschäftsführer der IHK Oberbayern im heute zugestellten IHK-Magazin.

Vor uns liegt ein Haushaltswerk, das in den letzten Wochen gedruckt und gebunden wurde.

Seit dem 24. Februar und durch die Ereignisse in der Ukraine könnte es Makulatur sein.

Der Angriffskrieg des russischen Autokraten auf die Ukraine hat auch in Deutschland vieles verändert und wird es noch drastischer verändern. Viele Menschen in der Ukraine sind gestorben, viele Wohnhäuser, Schulen, Krankenhäuser zerstört. Aber auch bei uns hat sich manches schlagartig verändert: Der Heizölpreis hat sich seit Jahresbeginn verdoppelt, der Strompreis schießt scheinbar unaufhörlich in die Höhe, und vieles wird uns noch deutlicher treffen, wenn auch bei weitem nicht so wie die Menschen in der Ukraine.

Vieles von dem, was gestern noch gegolten hat und was wir für richtig gehalten haben, gilt nicht mehr. Niemand weiß, was morgen passieren wird. Alles ist möglich. Die Katastrophe eines massiven Einsturzes von volkswirtschaftlichen Strukturen und Säulen ist nicht auszuschließen, mit allen dann verheerenden, auch sozialen Folgen für die Menschen und den finanziellen für unsere Städte und Gemeinden.

Wenn wir heute über einen Haushalt reden, dann kann dies eigentlich nur ein Krisenhaushalt sein, der möglichst alles ausblendet, was nicht unbedingt –  auch rechtlich –  als Verpflichtung gesehen werden kann.

Niemand von uns kann sich an eine solch massive Bedrohung – ausgenommen vielleicht die Kubakrise 1962 – erinnern. Wir sind am Anfang einer Zeitenwende.

Wir müssen uns der Verantwortung stellen und alles, was möglich ist, zusammenhalten. Nichts ist mehr sicher. Das gilt für alle wichtigen Bereiche: Energieverfügbarkeit, Produktionsmöglichkeiten, Arbeitsplätze, Steuereinnahmen, Geldwertstabilität usw.

Es ist schwer, sich diesem Szenario geistig zu nähern. Aber es ist unsere Pflicht, den WorstCase in die Haushaltsplanung einzupreisen. Deshalb: Alles, was heute und morgen keine Pflichtaufgabe ist, muss jetzt hinten anstehen. Das gilt für Zuschüsse an Vereine, Freibad, usw., besonders aber für die in weiten Bereichen überflüssige Veränderung im Eingangunseres Rathauses.

Es kann auch gut sein, dass wir die alten Baustellen, wie die Defizite für das Forum, den Aufwand für den Wallfahrtstourismus oder manch liebgewordene Bequemlichkeit ganz neu angehen müssen.

Deshalb: Eigentlich bräuchten wir heute eine echte Krisensitzung, in der wir uns intensiv beraten sollten, wie der Weg weitergeht.

Muss es unter diesen Voraussetzungen wirklich sein, dass man dann eine mit hohem Aufwand vor nicht einmal 40 Jahren erbaute Treppe mit sehr teurem Granit herausreißt und für rund 600.000 € den Eingangsbereich umbaut, wo doch die Stadt bei einem Schuldenstand von fast 30 Mio eh schon so hoch verschuldet ist? Kein einziger von euch allen würde im privaten Bereich so eine Maßnahme vornehmen. Aber hier handelt es sich ja nicht um das eigene Geld!

Hat man drangedacht, dass dann kein wirklicher Windfang mehr vorhanden ist und die wartenden Bürger im Winter oft frieren müssen? Noch dazu, wo ein elektrischer Türöffner (bei dieser schweren Türe ökologisch äußerst fragwürdig!) die Türe viel länger offenhalten muss!

Kann man das Bürgerbüro nicht auch mit einem deutlich geringeren Aufwand einrichten? Die Tür in das angedachte Bürgerbüro kann ohne große Probleme hinter dem sinnvollerweise jetzt noch vorhandenen Windfang fast auf das Dreifache verbreitert werden. Ich habe gestern genau nachgemessen.

Muss die Fassade wirklich durch eine Rampe mit Geländer verunstaltet werden, wo doch in 20 Meter Entfernung ein behindertengerechter Eingang vorhanden ist? Das Behinderten-WC ist übrigens jetzt schon in unmittelbarer Nähe des hinteren Eingangs. Da wird der Denkmalschutz bemüht, der sich bisher zum Eingangsbereich noch nie beim Stadtrat zu Wort gemeldet hatte. Dem dürfte es ziemlich egal sein, ob die noch kaum 40 Jahre alte Treppe bleibt oder nicht. Ich denke, dass dem eher vor der Rampe in dieser mit hohem Aufwand sanierten Fassade graut, die viele Rollstuhlfahrer mit ihrer 6%-Steigung dann doch nicht alleine bewältigen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Bürgermeister, überlegt euch diese überflüssige Maßnahme bitte noch einmal ganz genau und steckt das Geld in weit sinnvollere Maßnahmen oder baut die Schulden ab oder wartet zumindest ab, was die nächsten Jahre durch den Ukraine-Krieg noch so alles an bösen Überraschungen bringen!

Sehr wichtig sind unserer Meinung nach die Argumente der Ökologie und Ökonomie: Herausreißen der sehr teuren Granittreppe ohne jede Not, Vernichtung grauer Energie, Mehrverbrauch von Strom für das elektrische Öffnen und Schließen der Tür und besonders bei der Heizung für den Wartebereich ohne jeden Windfang. Erst gestern stand ein großer Artikel in der SZ mit der Überschrift: „Die Abreißerei muss ein Ende haben“. Der Geschäftsführer des Bunds Deutscher Architektinnen und Architekten fordert das und er sagt dazu: „Wir brauchen schon wegen des Klimaschutzes eine neue Denkweise, die auf Pflegen und Reparieren abzielt. Wir müssen unser Bewusstsein ändern!“

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen auch wir hier herinnen tun und deshalb alle unnötigen Ausgaben aus dem Haushaltsplan herausstreichen. Und die unnötigste Ausgabe ist das Herausreißen der Treppe und des Fußbodens im EG des Rathauses. Ich bitte die Bürgerinnen und Bürger Altöttings darum, sich den Eingangsbereich einmal genauer anzuschauen. Das Bürgerbüro und die Änderungen in den Räumen des Erdgeschosses können wir mit einem relativ geringen Aufwand erstellen. Wir verstehen übrigens nicht, wieso das Standesamt, das relativ viele Bürger besuchen müssen, nicht statt der Finanzverwaltung, in die so gut wie kein Bürger mehr gehen muss, ins Erdgeschoss wechseln soll. Wir wollen das als Antrag verstanden haben.

Noch einige wenige Sätze zum Haushalt 2022 im Allgemeinen:

Die einzige wesentliche Einnahmequelle des Landkreises ist die von den Städten und Gemeinden zu zahlende Kreisumlage. Wir hatten letztes Jahr einnahmemäßig ein relativ gutes Jahr und müssen deshalb 2023 wohl eine relativ hohe Kreisumlage zahlen. Wenn dann durch den Ukrainekrieg Wacker und andere energieintensive Betriebe im Landkreis deutlich mehr für den für sie so notwendigen Strom zu zahlen haben und durch fehlende Zulieferungen weniger Gewinn erwirtschaften, könnte das für manche Städte und Gemeinden geringere Gewerbesteuereinnahmen bedeuten. In der Folge könnte dann auch noch die Einkommensteuerbeteiligung sinken, was für Städte wie Altötting möglicherweise indirekt erheblich höhere Kreisumlagezahlungen zur Folge hätte. Darüber hinaus hat Altötting Rücklagen für die Hochwasserfreilegung und diverse andere Notwendigkeiten in Millionenhöhe zu bilden. 

Um es kurz zu machen: Wir können in dieser Situation nicht so tun, als ginge alles so weiter wie bisher; wir wollen einen deutlich enger gestrickten Haushalt und werden deshalb für eine Ablehnung dieses Werks plädieren. Vielleicht brauchen wir ja eher als gedacht eine Klausurtagung, die sich darum bemüht, Einsparungsmaßnahmen zu ermitteln und umzusetzen.

Darüber hinaus beantragen wir zum wiederholten Male, ohne dass dies bisher abgestimmt wurde, dass der Haushalt in Zukunft von Anfang an öffentlich beraten wird, wie dies in der Gemeindeordnung gefordert und so gut wie allen Kommunen und auch im Landkreis der Fall ist.

Abschließend geht mein Dank im Namen der Freie-Wähler-Fraktion an Andrea Kreutner und Michaela Weinberger sowie an Bürgermeister Stephan Antwerpen und alle mit dem Haushaltsplan 2022 befassten Mitarbeiter für die ausführliche und gut lesbare Erstellung des umfangreichen Zahlenwerks. Dazu kommt natürlich noch ein ganz besonderes Dankeschön an alle Steuerzahler sowie an die, die in den städtischen Einrichtungen wie Schulen, Bauhof, Freibad und Stadtbücherei sowie in den Vereinen sorgfältig und sparsam mit den Finanzen umgehen. Vielen Dank auch den Kolleginnen und Kollegen im Stadtrat, die den Haushalt 2022 mit vorbereitet haben.

Konrad Heuwieser für die Fraktion der Freien Wähler Altötting

Über den Autor: Toni Dingl

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert